Bedeutung des Kreuzestodes Jesu

Zum Kreuzestod selbst und dessen Interpretation in den Evangelien

Nur von der Erfahrung der Auferstehung Jesu Christi her wird verständlich, dass dem eigentlich schändlichen Kreuzestod (vgl. Dtn 21,23) doch noch Heils-Bedeutung zukam.
Die Interpretation des Todes Jesu wird schon in den Evangelien von der Auferstehungserfahrung her geprägt. Die Ansätze der Evangelisten sind dabei durchaus unterschiedlich. So sehen Markus und Matthäus die Kreuzigung Jesu als „apokalyptisches Geschehen“, also als endzeitliches Gericht und Augenblick der Entscheidung über Gut und Böse. Beide Evangelisten verdeutlichen ihren Ansatz durch entsprechende apokalyptische Zeichen (Finsternis als Zeichen für das Ende der Zeiten, Zerreißen des Tempelvorhangs als Zeichen dafür, dass nun der Zugang zu Gott (der Tempelvorhang verbarg im Jerusalemer Tempel den Ort der Bundeslade) allen offen steht). Markus lässt Jesus den Anfang des Psalms 22 (Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen) beten, der als jüdisches Gebet weithin bekannt war. Auch Matthäus interpretiert Jesu Tod als apokalyptisches Geschehen, wobei er zusätzlich noch das Erdbeben und die Öffnung der Gräber als Zeichen nennt. Die Öffnung der Gräber steht für die Auferweckung der Toten.
Für Lukas ist der Tod das „ungerechte Ende eines Gerechten“. Noch am Kreuz zeigt sich Jesus als der Güte und Verzeihende und wird so zum Vorbild der Christen.
Johannes sieht den Tod als Verherrlichung, Vollendung und Erhöhung Jesu. Mit den Worten „Es ist vollbracht“ stirbt Jesus bei Johannes. Die Wahl der letzten Worte Jesu steht jeweils im Interesse des theologischen Ansatzes. Augenzeugen waren es nur wenige. Die historische Sichtweise erscheint den Evangelisten als eher zweitrangig. Für Johannes stellt sich Jesus mit seinem Tod als Passahlamm (vgl. Ex 12,46) „zur Verfügung“. Dieses Osterlamm wird für das Heil des Volkes dargebracht, um die Schuld und die Sünden der Menschheit mit seinem Blut zu sühnen und zu tilgen. Blut und Wasser, die aus der Seite Jesu fließen, werden als Einsetzung der Sakramente der Taufe und der Eucharistie verstanden. 
Vermutlich hat Jesus seinen Tod als Konsequenz seines Lebens, seiner Hingabe an die Menschen, seinem Leben für die Menschen verstanden. Schließlich begründet er mit seinem Tod einen "Neuen Bund", wie es beim Letzten Abendmahl deutlich wird (vgl. Mk 14, 22-25).
Die Annäherung an das Verstehen des Kreuzestodes ging allerdings in der Geschichte der Kirche und der Theologie weiter. Letztlich, so bleibt allerdings auch im Zusammenhang mit dem Kreuzestod festzuhalten, bleibt dieser im „Mysterium des Heilsplans Gottes“ menschlicher Erkenntnis verborgen.
Nachfolgend sind einige Ansätze der Interpretation zusammengefasst. Fast immer spielt das Motiv der Sünde der Menschen eine Rolle. Für diese Sünde oder Sündhaftigkeit der Menschheit, so die unterschiedlichen Deutungen, musste Jesus sterben.
Loskauf oder Lösegeld: Wie in der Antike Sklaven durch Lösegeld freigekauft wurden, hat Jesus durch seinen Tod die Menschheit freigekauft von der Sünde, die zur Verdammnis führt (vgl. Mk 10,45; 1 Kor 6,20).
Stellvertretung: Gemäß der alttestamentlichen Überlieferung vom leidenden Gerechten (als einem vor Gott Untadeligen) nimmt Jesus stellvertretend für die Sünder, also für die eigentlich Schuldigen, Schmach, Schuld und Tod auf sich und erleidet an ihrer Stelle die ihnen eigentlich zustehende Bestrafung (vgl. Jes 53,4-6, bekannt als „Viertes Lied vom Gottesknecht“; im NT z. B. 2 Kor 5,21).
Juridische Deutung: Die „Satisfaktionslehre (Satisfaktion = Genugtuung, Wiederherstellung der Ehre) des Anselm von Canterbury (1033 bis 1109, gilt als „Vater“ der Scholastik. Anselm war Benediktiner und wurde 1720 zum Kirchenlehrer erhoben. Für ihn verlangte der Glaube nach vernünftiger Einsicht.) ging davon aus, dass durch die Sünde der Frieden zwischen Gott und Mensch gestört ist und Gott schwer beleidigt wurde. Diese unendliche Beleidigung kann nur durch eine unendliche Satisfaktion wieder gut gemacht werden. Diese Satisfaktion wiederum konnte nur Gott selbst oder Jesus Christus, der wesensgleich mit Gott ist, geleistet werden. Jesus Christus, als der „sündlose Gottmensch“ leistet also durch seine freiwillige Lebenshingabe die erforderliche Satisfaktion.... und versöhnt so Gott mit den Menschen (vgl. 2 Kor 5,19; Kol 1,19f u. a.)
Kultische Deutung: Nach Paulus wird der Kreuzestod Jesu als Opfer verstanden. Jesus bringt sich durch den Kreuzestod als Opfer dar, um dadurch Gott zu versöhnen. Diese Opfervorstellung ruht auf der alttestamentlichen Opferauffassung, nach der ein Opfer zwischen Gott und den Menschen Gemeinschaft stiften solle. Mit diesem Opfer sollen die Sünden der Menschheit vergeben werden. Dieser Gedanke taucht immer wieder auch in der Bibel (Evangelien, vielleicht sogar Jesu eigenes Verständnis von seinem Tod, Briefe) auf und gilt auch heute noch als Lehre der Kirche. Das Opfer wird dabei vornehmlich als Sühnopfer für die Sünden der Menschen verstanden (vgl. u. a. Joh 1,29; Röm 4,25; Röm 3,25; Einsetzungsberichte in den Evangelien, z. B. Mt 26,28).
Aktuellere Deutungen des Todes Jesu
Personale und soziale Deutung: Jesus hat mit seinem liebevollen Handeln den Teufelskreis des Bösen durchbrochen und sich ganz an Gott und für die Menschen hingegeben. Da alle Menschen eine schicksalhafte Gemeinschaft bilden, wirkt sich die Güte und Liebe Jesu auf alle aus. So hat Jesus für die Menschen eine neue Möglichkeit eröffnet, zu Gott zu finden. Wer an Christus glaubt und ihm nachfolgt, der tritt in den solidarischen Zusammenhang einer neuen Menschheit ein und erfährt sich als frei und erlöst (so die Deutung Walter Kaspers).
Tod aus Solidarität mit den Menschen: Die Lehre vom stellvertretenden Leiden Gottes in Jesus Christus (vgl. auch „Stellvertretung“) für die Menschen meint, dass Gott aus Liebe zu den Menschen, seinen Geschöpfen, in JChr selbst Mensch wird, stellvertretend für die Menschen leidet und aus Solidarität mit den Menschen den Tod auf sich nimmt. Der Tod, so die theologische Auffassung, ist als Folge der Sünde in der Welt. Der Abkehr der Menschen von Gott (was Sünde ist) stellt Jesus eine radikal dienende Hingabe an Gott in seiner Person entgegen. Letzter Ausdruck dieses radikalen Gehorsams ist der freiwillige und unverschuldete (sowohl juristisch, als auch theologisch) Tod Jesu.
Zusammenfassend wird deutlich, dass alle Interpretationsannäherungen letztlich Versuche sind, das Unbegreifliche des Todes Jesu verständlich zu machen.
Tod als Mit-Leiden Gottes und Konsequenz seines Lebensentwurfs: Vielleicht ist der gewaltsame Tod Jesu – ohne theologische Überhöhung – auch nur die Konsequenz aus dessen Leben, seiner Zivilcourage und seines vorbehaltlosen Einsatzes für die Menschen. Vielleicht ist Jesu Tod insofern Ausdruck der Solidarität mit den Menschen, als dass er das Menschsein in all seinen Dimensionen und dessen immanenten Leid mittrug, nicht nur „spielte“, sondern wirklich lebte. Vielleicht kann so Jesu Tod als tiefster Ausdruck des Mit-Leidens Gottes in Jesus Christus mit den Menschen verstanden werden. (Anmerkungen des Religionslehrers...)

Verantwortung für den Tod Jesu
Die Frage, wer die Hinrichtung Jesu zu verantworten hat, hat schon früh die Menschen beschäftigt. Diese Frage wurde später in verheerender Weise missbraucht, um eine Rechtfertigung für Pogrome an Juden zu begründen. Dabei wurden die Juden als diejenigen bezeichnet, die Jesu Hinrichtung gefordert haben und zu verantworten haben. Der Vorwurf der "Gottesmörder" hatte fatale Folgen in der Geschichte seit Jesu Kreuzigung. Juristisch ist festzuhalten, dass die Juden und die Hohenpriester kein Todesurteil fällen durften. Dies war der römischen Besatzungsmacht vorbehalten. Der römischen Besatzungsmacht war seine ursprüngliche Gefolgschaft zu Johannes, seine Faszination für viele Menschen und damit einhergehend die Gefahr eines Aufstandes (er hatte auch Widerstandskämpfer in seiner Gefolgschaft) suspekt.
Richtig ist wohl aber auch, dass Jesus für die jüdische Aristokratie als Provokateur oder gar als Gotteslästerer verstanden werden konnte (er vergab Sünden, er heilte am Sabbat, er setzte sich über Teile des mosaischen Gesetzes hinweg; er war in Kontakt zu Zöllnern, Sündern, Ehebrechern; er kritisierte die Tempelpraxis, auf ihn geht die Tempelreinigung zurück, die als Angriff auf die jüdische Oberschicht und die Hohenpriester verstanden werden musste). Immer wieder musste Jesu Überlegenheit zur Provokation derer werden, die ihn bloßstellen wollten.

Quellen:
Jesus Christus, Lerninhalte Abitur, 1984
Uwe Stamer, Abiturwissen Jesus Christus, Stuttgart, 6. Auflage 2002, S. 148-152
u. a. m.