Gottesbeweise

Gottesbeweise - Sinn und Grenzen
Es ist wohl schon immer ein Anliegen des Menschen, Gott nicht nur zu glauben, sondern Beweise zu suchen, dass es Gott gibt. So gibt es neben den Gotteserfahrungen, die Menschen machen und die in der Bibel niedergeschrieben sind, schon seit Jahrtausenden Versuche, Gott philosophisch zu beweisen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Gott der Bibel und der Erfahrung und vom Gott der Philosophen. Gerade in unserer so aufgeklärten und von den Naturwissenschaften geprägten Zeit wollen Menschen wenigstens Argumente und Indizien, dass ihr Glaube auch rational, also vernunftgemäß verantwortet werden kann. Hans Küng verwendet in diesem Zusammenhang die Kurzdefinition für Glauben als "vernünftiges Vertrauen" (beachte die Alliteration!). Das Wort "fides quaerens intellectum" (übersetzt: "Der Glaube, der nach Einsicht bzw. Verstehen sucht") wurde vor allem zum Programm der mittelalterlichen Scholastik (Schultheologie), die versuchte, Glaube und Vernunft zu versöhnen und zusammen zu denken. Bedeutende Vertreter der Scholastik sind u. a. Anselm von Canterbury, der "Vater der Scholastik" und Thomas von Aquin, die beide so genannte Gottesbeweise aufstellten. Thomas von Aquin bezog sich dabei vor allem auf Aristoteles, den großen griechischen Philosophen des 4. vorchristlichen Jahrhunderts. Schon für Anselm war klar, dass zur Einsicht der Wahrheit immer Glaube und Wissen bemüht werden müssen. "Credo ut intellegam" ("ich glaube, damit ich einsehe/verstehe"), wurde zu seinem Leitmotiv.
Dennoch finden die zahlreichen so genannten "Gottesbeweise" heute nicht mehr allgemeine Zustimmung. Ein Glaube, der bewiesen werden könnte, wäre kein Glaube mehr. Gott, der bewiesen werden könnte, würde auf die irdische und damit raum-zeitliche Begrenzung reduziert und wäre nicht mehr der transzendente, unverfügbare Gott. Gott bleibt eben immer auch "der ganz Andere" (Karl Barth). Der Gott der Philosophen ist - nebenbei bemerkt - ohnehin ein Konstrukt, das als absolutes, allmächtiges, unendliches Wesen vorgestellt wird und somit nicht diesen Lebensbezug, diese Dynamik und Faszination ausüben kann, wie es der Gott der Bibel, der Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs, des Volkes Israel und der Gott Jesu sein kann.
Bei aller Vorsicht mit den Gottesbeweisen bleibt allerdings festzuhalten, dass, so wenig Gott positiv bewiesen werden kann, so wenig seine Nicht-Existenz zu beweisen ist. Alle atheistischen Versuche bleiben letztlich Postulate, also Behauptungen der Nicht-Existenz Gottes, die niemals den Anspruch eines Beweises erheben können.
Dennoch eröffnet die philosophische Reflexion der Gottesfrage die Möglichkeit, auch mit Glaubensfernen und -kritikern, gar mit Atheisten in einen Diskurs einzutreten. Vernunftgemäße Rechtfertigung des Glaubens und der Vorstellung von Gott kann zu vertiefterem Vertrauen auf die Erfahrung des Glaubens und die existentielle Betroffenheit des Glaubenden führen bzw. diese bestätigen. Das Wagnis des Vertrauens kann allerdings durch keine - auch noch so reflektierte Beweiskette - ersetzt werden.

Gottesbeweise in der Geschichte
Nachfolgend seien einige "Gottesbeweise" genannt.
Konsensargument (Cicero, erstes vorchristliches Jahrhundert, 106 - 43 v. Chr.)
Er schließt aus der Übereinstimmung (consensus) aller Völker, dass es Gott gibt, dass Gott existiert, auf die Wirklichkeit Gottes.
Anthropologisches Argument ((Augustinus, 5. Jh. n. Chr.)
Die unveränderliche Geltung von Wahrheit und Normen kann - so Augustinus - ihren Grund nur in einer real existierenden und letztgültigen Wahrheit und Norm, eben Gott, haben. Er ist die ewige Wahrheit und der absolute Maßstab dafür, was gut und böse ist. Augustinus war in seinem Denken sehr stark von Platon (427-347 v.Chr.) und dessen Ideenlehre bestimmt.
Ontologisches Argument (Anselm von Canterbury, 11. Jh., 1033 bis 1109)
Gott ist jenes Wesen, über das hinaus nichts Höheres und Vollkommeneres gedacht werden kann. Dieses höchste und vollkommenste Wesen muss existieren, weil ihm sonst die Eigenschaft "Dasein" fehlen würde. Dann aber wäre es nicht das vollkommenste Wesen, weil eben zur Vollkommenheit auch das Sein gehört. Anselm schließt also aus der Idee eines höchsten Wesens auf dessen tatsächliche Existenz.
Dieser - von Kant später als "ontologischer Gottesbeweis" betitelter Ansatz - wurde allerdings schon zu Lebzeiten Anselms in Frage gestellt. Kant selbst hat ihn dann letztlich als nicht gültig bewiesen.
Kosmologischer Gottesbeweis (Thomas von Aquin, 13. Jh., 1225-1274)
Thomas von Aquin stützt sich in seiner Theologie auf die Philosophie des Aristoteles. Diese bildet auch die Grundlage seiner 5 Gottesbeweise, die als so genannte "quinque viae" (fünf Wege) bekannt sind. Er, der übrigens auch den Gottesbeweis von Anselm verwirft, geht nicht vom Begriff Gottes, sondern von der Erfahrung der Wirklichkeit aus.
- Der erste Weg: Bewegung - Gott als der "unbewegte Beweger"
Alles, was bewegt wird (oder entsteht), wird von einem anderen bewegt (oder entsteht aus einem anderen). Es muss also einen ersten "unbewegten Beweger" geben, also Gott. Eine unendliche Reihe von Bewegern ist unmöglich.
Diesen Gottesbeweis führt so schon Artistoteles.
- Der zweite Weg: Kausalitätsbeweis - Gott als erste Wirkursache
Der zweite Weg geht vom Wesen der wirkenden Ursachen aus. Wir finden in dieser Welt eine Ordnung der Wirkursachen, d. h. dass kein Ding in dieser Welt aus sich selbst besteht, sondern stets von einem anderen verursacht ist. Ein "regressus in infititum" (als Rückschreiten ins Unendliche) ist nicht möglich, d. h. dass am Ende aller Dinge und Ursachen etwas sein muss, was nicht mehr vom anderen entstand, sondern als Absolutes in sich selbst besteht. "Mithin ist es notwendig, eine erste wirkende Ursache anzunehmen, die alle Gott nennen".
- Der dritte Weg: Kontingenzbeweis - Gott als das unbedingt Notwendige oder als das vollkommene Sein
Alles Seiende ist kontingent, d. h. bedingt, endlich und nicht notwendig existierend, nicht aus sich selbst da, nicht sich selbst verursachend, sondern von etwas anderem abhängig. Wo aber kontingentes Sein, als bedingtes Sein ist, muss es etwas geben, das letztlich in sich un-bedingt notwendig, absolut, vollkommenes Sein ist, das aus sich selbst existiert. Dieses absolute und vollkommene Sein ist Gott.
- Der vierte Weg: Stufung des Seins, Gott als Ursache der Seinsstufen
Wahrheit, Güte, Schönheit usw. sind in der Welt nach verschiedenen Graden verwirklicht. Es gibt also mehr oder minder Vollkommenes in der Welt in verschiedener Hinsicht. Ein Seiendes besitzt diese unterschiedliche Grade der Vollkommenheit aber nur insofern als es Anteil am höchsten vollkommenen Sein, an der Vollkommenheit an sich, also an Gott, hat. Dieses ist Ursache der Seinsstufungen.
- Der fünfte Weg: teleologischer Gottesbeweis oder Finalitätsbeweis, Gott als Ziel aller Naturdinge
Alle Dinge sind zielgerichtet (telos, gr. und finis, lat. heißt Ziel). "Wir sehen, dass manches, was keine Erkenntnis besitzt, nämlich die Naturkörper wegen ihres Zweckes tätig ist, nämlich um das zu erreichen, was das beste ist." Natur ist also nicht zufällig, sondern aus Absicht und Zielgerichtetheit so wie sie ist. Also gibt es ein intelligentes Wesen, durch welches alle Naturdinge zum Ziel hingeordnet werden, und dieses nennen wir Gott".
Der moralische Gottesbeweis (Immanuel Kant, 1724 - 1804)
Gott ist für Kant das dritte Postulat der praktischen Vernunft (neben Freiheit und Unsterblichkeit). Er geht davon aus, dass der Mensch nach Glück strebt, das moralische Gesetz aber nach Tugend verlangt. Die Verbindung von Glücksstreben und Pflicht zur Tugend kann der Mensch allerdings oftmals nicht leisten. Das Streben nach dem höchsten Gut ist allerdings seine oberste Pflicht. Wenn er sich darum bemüht, kann er hoffen, dass die Tugend durch Glückseligkeit belohnt wird. Dieser Ausgleich ist allerdings irdisch nicht sicher gewährleistet. Die Hoffnung auf Ausgleich von Streben nach Glückseligkeit und Erfüllung der Pflicht zur Tugend kann nur dann gehegt werden, wenn es eine höchste Vernunft gibt, die nach moralischen Gesetzen gebietet und zugleich Ursache der Natur ist.
Unseren sittlichen Handlungen, den Weisungen des Gewissens, die die Tugend einfordern, muss eine sittliche oberste Instanz entsprechen. Die Weltordnung wäre also ohne Gott nicht denkbar.
Etwas später als Kant entwickelt übrigens John Henry Newman (1801-1890) den Erweis der Existenz Gottes aus dem Gewissen. Das Gewissen regt sich bei guten und schlechten Taten des Menschen. Nach Newman zeigt das Gewissen, dass wir vor jemandem (Gott) verantwortlich sind, selbst wenn unsere Taten nicht offensichtlich werden. Das Gewissen bedeutet einen un-bedingten Anspruch, der zu beachten ist.

Kritische Anmerkungen zu den Gottesbeweisen
Schon in den Vorbemerkungen wurden einige kritische Formulierungen im Hinblick auf die Gottesbeweise genannt. Kant hat alle - außer dem moralischen Gottesbeweis - Gottesbeweise abgelehnt oder widerlegt. Für ihn war der Schluss aus einer Idee oder einem Begriff auf eine Wirklichkeit unzulässig oder zumindest fragwürdig und wurde so als idealistischer Optimismus abgetan.
Grundsätzlich unterliegen die Gottesbeweis der fragwürdigen Logik, dass von irdischer Erfahrung auf eine Transzendenz, die gerade die irdische Realität übersteigt, geschlossen wird. Die menschliche Vernunft kann nur im raum-zeitlichen Gefüge des Kosmos Gültigkeit haben und nicht den Anspruch erheben, darüber hinaus zu denken.
Gott übersteigt die raum-zeitliche Dimension und kann deshalb mit unseren Mitteln in einem naturwissenschaftlichen und damit an die Raum-Zeit-Konstellation gebundenen Sinn nicht bewiesen werden.
Zum Kausalitätsbeweis ist zu sagen, dass die Annahme einer Erstursache logischerweise auch die Annahme einer letzten Wirkung nach sich ziehen müsste. Damit ist allerdings der Gedanke der Unendlichkeit nicht mehr denkbar.
Viele Annahmen, die etwa Thomas von Aquin noch für natürlich ansah, wurden mittlerweile durch die Physik in Frage gestellt oder gar widerlegt (so zum Beispiel das Kausalgesetz).
Es gibt keinen Beweis, dass es Gott gibt und nicht nichts. Wenn Gott ohne Grund existieren sollte, könnte wenigstens gedanklich auch das Universum ohne Grund existieren.

Stand: Februar 2005